Julius Bendorf (1915-2016) – eine „Über-Lebensgeschichte“.
Neue Sonderausstellung im Museum Ober-Ramstadt
“Nun ist der Kreis meines Lebens geschlossen, ich dachte an meine Nachbarn, wir spielten auf der Straße, ich war im Turnverein, mein Vater war im Gesangverein – das alles endete 1933…” Diese Worte fand Julius Bendorf am 29. April 2011 bei seiner Rede zur Verleihung der Ober-Ramstädter Ehrenbürgerwürde. Als er im Jahr 1915 in Ober-Ramstadt geboren wurde, deutete wenig daraufhin, dass er in der nationalsozialistischen Zeit ums nackte Überleben kämpfen musste. Die Familie Bendorf war in die dörfliche Gemeinschaft eingebunden, er wuchs in einem geschützten Umfeld auf. Bereits als Kind begann seine bemerkenswerte sportliche Karriere, Julius war er ein begeistertes Mitglied im TV Ober-Ramstadt. Als der Verein im Mai 1933 alle jüdischen Mitglieder ausschloss, wechselte er zum jüdischen Sportbund „Schild“ in Frankfurt. Dort war er einige Zeit der beste jüdische Hochspringer und wurde für die olympischen Vorbereitungslehrgänge nach Ettlingen eingeladen. Dort lernte er jüdische Medaillenhoffnungen kennen, wie die damals Weltbekannte Gretel Bergmann. Doch die Nationalsozialisten verhinderten letztendlich die Teilnahme von deutschen Juden. Trotz der zunehmenden Repressionen startete Julius weiterhin deutschlandweit erfolgreich bei großen jüdischen Sportfesten. Doch nach dem 9. November 1938, endete dies alles sehr schnell, als alle jüdischen Sportvereine verboten wurden.
Im August 1939 wurden Julius und sein Bruder Manfred in Zwangsarbeitslager deportiert, Anfang 1943 folgte die Deportation nach Auschwitz. Während sein Bruder und weitere Familienmitglieder von den Nationalsozialisten ermordet wurden, überlebte er diese schreckliche Zeit. Nach dem Krieg kehrte er kurz nach Ober-Ramstadt zurück, doch die Rückkehr in seine Heimatstadt war von Schmerz und Enttäuschung geprägt: Alles, was seiner Familie einmal gehört hatte, war versteigert worden. Anfragen stießen auf eisige Stille. Deshalb entschied er sich, nach Amerika auszuwandern, wo er ein neues Leben begann. Sein Leben erinnert somit an die Zerstörung der jüdischen Kultur in Deutschland durch das nationalsozialistische Regime, aber auch an die Kraft des Überlebens und die Bedeutung von Identität und Gemeinschaft, die auch in dunklen Zeiten nie völlig ausgelöscht werden konnten.
In einem Projekt näherten sich Schülerinnen und Schüler der Georg-Christoph-Lichtenberg-Schule in Ober-Ramstadt unter der Leitung Harald Höflein und Lea Kimmerle diesem Leben - mit eindrucksvollen Ergebnissen. Mit Anleitung durch den Graffiti-Künstler Jörn Heilmann entstanden großformatige Kunstwerke, die berührende, inspirierende und aussagekräftige Perspektiven auf das lange und ereignisreiche Leben von Julius Bendorf zeigen. Begleitende Texte sowie Fotos aus seinem Leben laden die Besucher ein, daran teilzuhaben. Die neue Sonderausstellung im Museum Ober-Ramstadt wird am 2. Februar 2025 um 15.00 Uhr eröffnet. Sie ist bis zum 11. Mai 2025 immer zu den Öffnungszeiten des Museums (sonntags von 14.30-17.30 Uhr) zu besichtigen. Der Eintritt ist frei.